Die Spektroskopie bietet vielfältige Möglichkeiten für die Analyse der wellenlängenabhängigen optischen Eigenschaften von Materialien. Sie kann mit ihren verschiedenen Methoden und Geräten für die Edelsteindiagnostik genutzt werden und ist für detaillierte Untersuchungen der Diamanten unerlässlich. Besonders interessant ist für den Diamant der Wellenlängenbereich, in dem er durchlässig ist, so dass Veränderungen in der Durchlässigkeit (= Transparenz) oder im Absorptionsverhalten sich im Spektrum bemerkbar machen. Ein chemisch reiner und kristallstrukturell ungestörter Diamant besitzt eine hohe Transparenz zwischen 225 nm und 2,5 µm sowie oberhalb 6 µm (letzterer Wert macht solche Diamanten als optische Fenster für Infrarot im Weltall interessant). Spektroskope sollten daher im Wellenlängenbereich zwischen etwa 0,2 µm – die Absorptionskante des Diamanten liegt im Ultravioletten bei 225 nm – und 20 µm arbeiten. Da Wellenlängen λ auch oft in den reziproken und energieproportionalen Größen der Wellenzahlen 1/λ [nm] = ν [cm-1] angegeben werden, entspricht das Werten von Wellenzahlen zwischen 50000 cm-1 (≡ 6,2 eV) und 500 cm-1 (≡ 62 meV). Die modernen, hochauflösenden und schnell arbeitenden, dann natürlich auch meist recht teuren gerätetechnischen Lösungen umspannen im wesentlichen zwei Spektralbereiche:
- Als Infrarot - Spektrometer für die Absorptionsspektroskopie, das Nahe und Mittlere Infrarot (NIR - MIR: ν = 7000 - 400 cm-1, λ = 1,4 - 25 µm) und
- Für die Absorptionsspektroskopie das Ultraviolette, den Sichtbaren Bereich (visible region) und das Nahe Infrarot (UV - VIS - NIR: λ = 200 - 25 nm, ν = 50000 - 4000 cm-1). Die Bereiche können auch schmaler ausgelegt sein, was sich im Preis auswirken kann. Da die Diamanten als kleine Kristalle bzw. geschliffene Steine vorliegen, sind die Geräte als Mikroskopspektrometer gebaut.
Zu 1. Das von uns genutzte Gerät ist ein FTIR - Spektrometer, d.h. ein Fourier-transformierendes Infrarot-Spektrometer. Eine Fourier-Transformation, eine rationelle Randwertlösung einer speziellen exponentiellen Integralfunktion, wird für die schnelle und hochauflösende Analyse eingesetzt. An Hand der Infrarotaufnahmen lässt sich eine Reihe wichtiger Aussagen treffen, ob der Diamant als Ia- oder IIa-Typ vorliegt, wie hoch die relativen Anteile an Stickstoff - A - und - B - Aggregaten, also Paaren von zwei Stickstoffatomen und tetraedrischer Anordnung von vier Stickstoffatomen, sind. Aus den Absorptionskoeffizienten der A - und/oder B - Absorptionsbanden bei ν= 1282 cm-1, erforderlichenfalls unter Berücksichtigung der Absorptionsanteile isolierter Stickstoffatome (C - Komponente) und der Platelets (D-, P- oder B‘ - Komponente), "ausgedehnte" an Stickstoff gebundene Defekte, lässt sich durch die rechentechnische Zerlegung der Absorptionskurven der Stickstoffgehalt bestimmen.
Zu 2. Wenn ein Diamant farbig ist, muss er im sichtbaren Spektralbereich absorbieren, bei Wellenlängen zwischen 400 nm (violett) und 700 nm (rot). Die hierfür verantwortlichen Defekte nennen wir Farbzentren, die auch im angrenzenden Nahen Infrarot und Ultraviolett zur Absorption führen können. Für ihre Analyse genügen die gemmologisch oft noch genutzten Handspektrometer nicht, sondern man benötigt auch hier moderne hoch auflösende UV - VIS - NIR - Absorptions - Mikroskopspektrometer, die mindestens den Wellenlängenbereich zwischen λ = 250 - 1100 nm umspannen.
Als Farbzentren im sichtbaren Bereich sowie im angrenzenden Ultraviolett und Nahen Infrarot kommen im wesentlichen zwei Defektarten in Betracht, die intrinsischen Gitterdefekte (Leerstellen, Zwischengitterplätze) und die extrinsischen Defekte, überwiegend an Stickstoffatome gebunden. Die bei der Darstellung eines Absorptionsspektrums auf der Ordinate aufgezeichneten Absorptionsintensitäten sind von der durchstrahlten Dicke und von der Defektdichte, z.B. als Anzahl pro Volumeneinheit oder als Verhältniszahl ausgedrückt, abhängig, angegeben daher in Absorptionseinheiten pro cm. Die auf der Abszisse aufgezeichneten Absorptionen als schmalere Linien oder breitere Banden geben die spektroskopischen Wellenlängen bzw. die entsprechenden Energien an. Charakteristische optische Spektren von Leerstellen (Vakanzen, symbolisiert als V) liegen z.B. für neutrale Monovakanzen, (das sind Leerstellen mit vier Elektronen) bei einer Wellenlänge von λ = 741 nm. Negative Monovakanzen (Leerstellen mit fünf Elektronen) haben eine Absorptionslinie bei 394 nm. Diese Absorptionen können im Sichtbaren nur durch ihre flacher auslaufenden Resonanzen farbliche Wirkungen haben. Ähnliches gilt für die bereits als infrarotabsorbierende Stickstoffdefekte angeführten singulären Stickstoffatome (bezeichnet als C) mit einem Absorptionspeak bei 270 nm und einem kontinuierlichen Anstieg der Absorption vom Blauen ins Ultraviolette und für die Stickstoffatompaare (bezeichnet als A) mit Absorptionslinien bei 303, 307 und 315 nm. Die Absorptionsintensitäten sind hierfür im UV und IR proportional, da in beiden Fällen die Konzentrationsabhängigkeit gilt. Diese Absorptionen erklären auch die relative Undurchlässigkeit für ultraviolettes Licht der Ia - Diamanten.
Weitaus markanter in der Färbung und den Farbvariationen der Diamanten wirken die verschiedenen Kopplungen von Stickstoffatomen und Vakanzen als Farbzentren, zusammengefasst als NV-Zentren, da ihre optischen Spektren im Sichtbaren Bereich liegen. A-Aggregate (ein Stickstoffatompaar an Stelle von zwei Kohlenstoffatomen) mit zwei angekoppelten (neutralen) Vakanzen (V2N2, symbolisiert mit H3) haben eine Absorption bei 503 nm. B-Aggregate (vier N-Atome tetraedrisch um eine Leerstelle) mit einer zusätzlichen Vakanz verbunden (V2N2, H4) absorbiert bei 496 nm. Isolierte Stickstoffatome mit einer neutralen Vakanz (NVo), bzw. einer negativ geladenen Vakanz (NV-), haben ihre Peaks bei 575 nm bzw. 637 nm. Eine Reihe weiterer Absorptionen lassen sich durch Farbzentren deuten, doch gibt es auch einige, die noch nicht erklärt werden können.
Die große Palette der Farben, Farbtönungen und Farbsättigungen resultiert dann aus den unterschiedlichen Anteilen der verschiedenen Farbzentren. Durch Bestrahlung, z.B. mit energiereichen Elektronen, durch Erhitzen, z.B. bis über 800 °C in inerter Umgebung, oder durch Hochdruck -Hochtemperatur- Behandlung, z.B. bei Drücken von 5 - 6 GPa und Temperaturen von 1500 bis 2000 °C. Dabei können Farbzentren, d.h. die jeweils ansprechenden Defekte, ausgeheilt werden, so dass Farben verschwinden, verblassen oder sich ändern oder Farbzentren erzeugt werden, die zu intensiven Farben, wie z.B. den Fancy Farben, und zu Farbveränderungen führen können. Sowohl die IR-spektroskopischen als auch die UV-VIS-spektroskopischen Untersuchungsmethoden sind wichtig bei der Beantwortung der Fragen, ob und wie ein Diamant behandelt wurde.
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